
Energie braucht Fläche und ein Parkplatz reicht – Markus Baumann über AURIVOLT-Speicherlösungen auf Stellplätzen
Auf vielen Gewerbehöfen bleibt zwischen Zufahrt, Zaun und Hallenwand ein Rest übrig, der nie so recht Aufgabe wurde: zwei Stellplätze zu viel, ein schmaler Streifen Asphalt, der seit Jahren leer steht. Genau dort, sagt Markus Baumann von AURIVOLT, liegt ungenutzte Energie; nicht im wörtlichen Sinne, sondern als Chance, mit wenig Aufwand eine stabile Einnahmequelle zu schaffen. Das Unternehmen aus Bad Oeynhausen installiert auf gepachteten Mini-Flächen Batteriespeicher, vernetzt sie digital und verdient an Preisschwankungen am Strommarkt. Für Eigentümer läuft das Modell schlicht über eine vertraglich gesicherte Pacht. Wie aus Stellplätzen Energie-Assets werden, warum Dezentralität zur Systemfrage geworden ist und was Eigentümer konkret erwartet, darüber haben wir mit Markus Baumann gesprochen, Gründer und Geschäftsführer von AURIVOLT.
Redaktion: Herr Baumann, nehmen wir den typischen Parkplatz neben einer Lagerhalle. Zwei Stellplätze, 25 Quadratmeter. Warum sollte sich ein Eigentümer überhaupt mit so einer Kleinfläche beschäftigen?
Markus Baumann: Weil sie, richtig genutzt, kalkulierbare Erlöse bringt, ohne dass der Eigentümer investieren muss. Unser Setup braucht am Ende oft nicht mehr als die Fläche von zwei PKW-Stellplätzen. Wir pachten diese Teilfläche, stellen dort einen Batteriespeicher auf, schließen ihn ans Netz an und betreiben ihn im Verbund mit anderen Standorten. Der Eigentümer stellt die Fläche bereit und erhält dafür eine feste Pacht. Kein CAPEX, kein Betriebsrisiko.
Redaktion: Das klingt geradlinig. Woher kommen die Erlöse, aus denen die Pacht gezahlt wird?
Baumann: Aus Strompreisarbitrage auf den Spotmärkten, konkret Day-Ahead und Intraday. Die Speicher laden, wenn der Preis niedrig ist, typischerweise bei viel Solarproduktion, und speisen bei höheren Preisen wieder ein, etwa in den Abendstunden. Wir koordinieren viele kleine Einheiten zu einem Schwarmspeicher. Technisch verhält sich das wie ein großes Kraftwerk, nur eben verteilt. Dieses Bündeln ist wichtig, weil es Skaleneffekte erzeugt und die Steuerung flexibel macht.
Redaktion: Eigentümer fragen zuerst nach Risiken. Was, wenn die Preisspreads kleiner werden oder technische Probleme auftreten?
Baumann: Das Risiko liegt bei uns als Betreiber. Wir tragen Investitionen, Betrieb, Wartung und Stromhandel. Der Pachtvertrag ist davon unabhängig. Für den Eigentümer bleibt es eine klassische Flächenverpachtung mit verlässlichem Zahlungsstrom. Was die Technik betrifft: Die Container stehen auf einer ebenen, befestigten Fläche, arbeiten leise und emissionsfrei. Genehmigungsrechtlich sind das in der Regel überschaubare Verfahren, weil wir keine Eingriffe in Gebäude vornehmen und die Speicher relativ klein sind.
Redaktion: Wie häufig scheitern Projekte am Netzanschluss? Ohne Anschluss keine Arbitrage.
Baumann: Der Netzanschluss ist der kritische Pfad, das stimmt. Deshalb prüfen wir das sehr früh und standortgenau. Dezentralität hilft uns, weil wir dorthin gehen, wo Kapazitäten vorhanden sind oder Engpässe gelöst werden müssen. Wir sprechen von „Point of Use“: Die Speicherkapazität entsteht genau dort, wo sie systemisch Sinn ergibt, nicht auf der grünen Wiese fernab der Lastzentren. Das beschleunigt Prozesse und reduziert Anschlusskosten. In der Regel werden über 75% unserer Netzanfragen auch umgesetzt.
Redaktion: Warum nicht einfach große zentrale Speicher bauen? Ein Standort, große Wirkung.
Baumann: Große Speicher haben ihre Berechtigung, sind aber kapital- und genehmigungsintensiv. Dezentralität ist eine Antwort auf zwei praktische Probleme: Zeit und Netz. Viele kleine Speicher lassen sich schneller errichten und an bestehenden Infrastrukturen andocken. Außerdem wirken sie dort, wo Engpässe auftreten. Das entlastet Verteilnetze punktgenau. Und für Flächeneigentümer eröffnet es eine Option, die es bisher kaum gab: aus einer vermeintlich nutzlosen Ecke eine Ertragsfläche zu machen.
Redaktion: Wie verändert so ein Speicher den Charakter eines Areals? Entsteht zusätzliche Komplexität im Alltag eines Unternehmens?
Baumann: Im Idealfall merkt man außer der Aufstellung und den üblichen Wartungsterminen wenig. Die Batterieschränke stehen kompakt, werden fernüberwacht und brauchen keinen täglichen Zugriff. Im Übrigen bleibt der Betrieb des Areals unberührt: kein Lärm, keine Emission, keine Verschattung, keine Erschütterungen.
Redaktion: Sie verweisen gern auf einen Image- und Wertaspekt für Immobilien. Ist das mehr als ein nettes Add-on?
Baumann: Beides ist real. Strategisch eingebundene Flächen, die Teil eines Energiesystems sind, gewinnen an Bedeutung, schon weil Energie- und Lastmanagement für Betriebe wichtiger werden. Und viele Unternehmen berichten mittlerweile über ESG-Kennzahlen. Eine funktionierende Speicherlösung auf der eigenen Restfläche lässt sich sauber belegen: Sie bringt planbare Pacht und einen konkreten Beitrag zur Netzstabilität.
Redaktion: Wie sieht der typische Ablauf vom Erstkontakt bis zur Inbetriebnahme aus?
Baumann: Eigentümer melden uns eine Fläche. Das kann ein Parkplatzsegment, eine Randfläche oder ein Stück ungenutzter Hof sein. Wir prüfen Verfügbarkeit, Erschließung, Netzanschluss, Brandschutz und Zufahrt. Wenn die Parameter passen, folgt ein Pachtangebot mit Laufzeit, Konditionen und Verantwortlichkeiten. Nach Vertragsabschluss koordinieren wir Genehmigung, Anschluss und Aufbau. Je nach Netzsituation sind wir innerhalb weniger Wochen betriebsbereit.
Redaktion: Welche Mindestanforderungen stellen Sie an eine Fläche?
Baumann: Grob gesagt: rund 5 × 5 Meter ebene, befestigte Fläche, sichere Anfahrt, keine Nutzungskonflikte. Dazu eine realistische Anschlussoption. Wir sind aber bewusst flexibel. Manche Standorte profitieren von etwas mehr Platz für Trafikompaktstationen oder Wendemöglichkeiten. Der Eigentümer muss weder Kabel legen noch Fundamente planen. Das ist Teil unseres Pakets. Das Wichtigste: Ein öffentlicher Trafo sollte in direkter Nähe zum Grundstück sein.
Redaktion: Sie sprechen von „Schwarmspeicher“. Was bedeutet das in der täglichen Steuerung?
Baumann: Unsere Leitwarte bündelt die verteilten Speicher zu einem virtuellen Portfolio. Algorithmen planen Vorwärtspositionen im Day-Ahead-Markt und reagieren kurzfristig im Intraday-Handel. Gleichzeitig berücksichtigen wir technische Restriktionen der Batterien und lokale Netzvorgaben. Der Clou ist die Aggregation: Zehn kleine Einheiten an zehn Orten sind steuerbar wie eine große.
Redaktion: Lässt sich der Parkplatz morgen wieder als Parkplatz nutzen? Oder ist die Fläche über Jahre blockiert?
Baumann: Wir arbeiten mit klaren Laufzeiten und Rückbauoptionen. Nach Vertragsende wird die Fläche in den ursprünglichen Zustand versetzt. In der Praxis wollen die meisten Eigentümer die Pachtbeziehung fortführen, wenn sie gut läuft. Aber ja, Reversibilität ist ein fester Bestandteil des Modells. – Wir nutzen die Fläche etwa 15-20 Jahre. Verlängerungsoptionen sind möglich.
Redaktion: Kommen wir zur Renditefrage, die viele Eigentümer naturgemäß interessiert: Wie transparent sind die Pachtkonditionen?
Baumann: Die Pacht ist fix vereinbart und nicht von unseren Handelsergebnissen abhängig. Das trennt die Interessen sauber. Wir verdienen im Markt, der Eigentümer verdient an der Fläche. Diese Rollenverteilung schafft Vertrauen und Planbarkeit.
Redaktion: Was bedeutet das Konzept volkswirtschaftlich? Ein Batteriespeicher hier, ein Container dort, ist das mehr als ein Mosaik?
Baumann: Genau das ist der Punkt. Viele kleine Bausteine ergeben eine belastbare Struktur. Je weiter erneuerbare Erzeugung ausgebaut wird, desto volatiler werden Preise und Netzflüsse. Flexibilität wird dann zur Währung. Dezentral verteilte Speicher können diese Flexibilität liefern, ohne jahrelang auf Großprojekte zu warten. Wenn Eigentümer Stellplätze oder Restflächen bereitstellen, entsteht ein Netz privater Investitionen in öffentliche Infrastruktur. Wir nennen das gern „Netzausbau investierbar“.
Redaktion: Gibt es Grenzen, die Sie heute schon sehen?
Baumann: Natürlich. Netzkapazitäten sind nicht beliebig dehnbar, lokale Genehmigungspraxis variiert, und Marktdynamiken können sich ändern. Aber die Grundlogik bleibt: Speicher glätten extreme Ausschläge, und diese Ausschläge werden mit dem wachsenden Anteil volatiler Erzeugung nicht verschwinden. Wir planen konservativ, diversifizieren Standorte und skalieren das Portfolio so, dass einzelne Engpässe nicht ins Gewicht fallen.
Redaktion: Wenn Sie Eigentümern einen pragmatischen Rat geben müssten: Woran erkennt man einen guten Standort?
Baumann: Drei Dinge. Erstens: stabile, konfliktfreie Fläche, besser befestigt als unbefestigt. Zweitens: vernünftige Anbindung, also Zufahrt und Anschlussoption, also ein Trafo in der Nähe. Drittens: klare Eigentums- und Nutzungsverhältnisse. Wenn das passt, klären wir den Rest. Und wenn es am Ende doch nicht funktioniert, hat der Eigentümer wenig Zeit investiert und Klarheit gewonnen.
Redaktion: Was bleibt als Kernbotschaft?
Baumann: Dass Fläche ein unterschätzter Rohstoff der Energiewende ist. Man braucht nicht immer große Freiflächen oder Dachlandschaften. Manchmal reicht ein Parkplatz. Wenn Eigentümer bereit sind, diesen Raum zu öffnen, entsteht aus Asphalt ein Baustein moderner Infrastruktur, mit kalkulierbarer Pacht und ohne operative Last.
Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch.
Baumann: Ich danke Ihnen.
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