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Stadtflucht aus München – Wie das Umland sich durch den Zulauf verändert

26. September 2023

Stadtflucht ist das neue Schlagwort unserer Zeit. Immer mehr Menschen zieht es auf der Suche nach einem nachhaltigeren Lebensstil in ländlichere Regionen. Dieser Trend hat einen gravierenden Einfluss auf das Umland städtischer Ballungsräume.

Stadtflucht löst Landflucht ab

Mit der Wiedervereinigung setzte ab 1990 eine regelrechte Landflucht ein. Stadtnah wollten die Menschen leben, am liebsten direkt im Zentrum großer städtischer Ballungsräume, wo die Möglichkeiten vielfältig und die gut bezahlten Arbeitsplätze keine Mangelware waren. Dieser innerdeutsche Migrationstrend hat sich rund 30 Jahre gehalten und wurde so gravierend, dass ländliche Regionen um ihre Zukunft fürchten mussten.

Während in vielen Ländern der Welt die Landflucht weiter anhält, scheint in Deutschland eine Trendwende eingesetzt zu haben. Viele Städter scheinen das leben in den Ballungszentren satt zu haben und entscheiden sich für einen Umzug in das Umland. Kreisstädte und ländliche Randregionen um Deutschlands Großstädte herum verzeichnen seit einigen Jahren einen starken Zuwachs. Wie der National Geographic berichtet, verzeichnen die Großstädte des Landes aktuell den stärksten Bevölkerungsverlust seit 1994. Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat diese Entwicklung zusätzlich verstärkt. Insbesondere der erste harte Lockdown 2020 hat sich auf den Trend zur Stadtflucht ausgewirkt. Das zeigt eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsförderung, die im Dezember 2022 veröffentlicht wurde. Darin heißt es:

„Deutsche Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern haben im Jahr 2021 durch Umzüge so deutlich an Bevölkerung verloren wie zuletzt 1994. Die Zahl der Fortzüge aus den kreisfreien Großstädten in kleinere Städte und ländliche Regionen ist im Vergleich zu 2019 um 1,8 Prozent angestiegen, gleichzeitig sanken die Zuzüge in die Großstädte um 5,4 Prozent. Damit ist das Binnenwanderungssaldo der Großstädte auf einem so niedrigen Niveau wie seit 30 Jahren nicht mehr, als es eine deutliche Abwanderung in das Umland (Suburbanisierung) gab.
(Quelle: https://www.bib.bund.de)

Der Trend zu einer erneuten Suburbanisierung ist laut BiB seit 2014 nicht mehr zu leugnen. Besonders stark ist der Umzug aus der Stadt in ländliche Regionen in der Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen festzustellen. Damit sind es insbesondere Familien, die die Trendwende in Deutschland zu prägen scheinen.

Verstärkt wird die Bereitschaft zum Leben außerhalb der optimal ausgebauten Infrastruktur von Großstädten und damit auch oft weiter entfernt vom Arbeitsplatz durch die wachsende Bedeutung des Homeoffice. Können Teile der Arbeitszeit auch aus dem heimischen Büro geleistet werden, fällt für Pendler die tägliche Fahrt zur Arbeit und damit der Kosten- und Zeitfaktor eines langen Arbeitsweges nicht mehr so stark ins Gewicht. Ein niedrigerer Immobilienkredit oder eine günstigere Miete außerhalb des städtischen Einzugsgebietes schlagen dagegen für die wirtschaftliche Gesamtsituation spürbar zu Buche.

Frauen sind oft treibende Kraft für grüneren Lebensstil

Als Gründe für die Abwanderung in umliegende Kreisstädte und andere ländlichere Gebiete definiert das BiB insbesondere neue Ansprüche an die Wohnsituation und das Wohnumfeld sowie den Mangel an Wohnraum in Großstädten und den damit zusammenhängenden Anstieg der Wohnungspreise. Für Familien mit mehr als einem Kind stehen in städtischen Gebieten kaum ausreichend große Immobilien zur Verfügung oder können mit der Einkommenssituation durchschnittlicher Familien in Deutschland kaum finanziert werden.

Dr. Annett Steinführer vom Thünen Institut für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen in einer repräsentativen Befragung die Wanderbewegungen in Deutschland seit 2005 untersucht und sich dabei in den letzten Jahren auch verstärkt mit den Gründen für die Stadtflucht beschäftigt. An erster Stelle stehen den Erkenntnissen der Wissenschaftlerin zufolge immer wirtschaftliche Gründe, die vor allem Familien umtreiben. Hinzu kommt der Wunsch, naturnäher zu leben, den Kinder mehr Zugang zu Grünflächen, sauberer Luft und Bewegungsräumen zu bieten sowie der Wunsch nach Eigentum, das als soziales Statussymbol und Altersvorsorge betrachtet wird. Aus ihren Analysen weiß Steinführer aber auch, dass der Kostenfaktor in der Regel nicht der einzige ausschlaggebende Grund für einen Umzug aufs Land ist. Üblicherweise beeinflussen mehrere Kriterien gemeinsam die Entscheidung. Der Wunsch nach einem nachhaltigeren und naturverbundenen Leben hat dabei in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen.

Wenn es darum geht, „grüner“ leben zu wollen, sind häufig Frauen die treibende Kraft. Sie wünschen sich ein beschaulicheres und weniger verstädtertes Umfeld für sich und ihre Familie und ziehen das Häuschen im Grünen mit eigenem Garten der gut ausgebauten Infrastruktur in der Großstadt vor. Dafür sind sie auch bereit, logistische Abstriche zu machen.

Dass Frauen vor allem in einem städtischen Umfeld entscheidenden Einfluss auf die Wohnsituation der Familie nehmen, zeigt eine Datenanalyse des Immobilienportals Aroundhome. Das Portal für Eigenheimbesitzer hat auf Basis der bei ihnen eingegangenen Anträge im Zusammenhang mit einem Immobilienverkauf ermittelt, ob Männer oder Frauen häufiger Initiator für den Verkauf einer Immobilie sind. Die Analyse ergab, dass im deutschlandweiten Durchschnitt Männer mit 62 Prozent den größeren Anteil an Immobilienverkäufen haben. Nur in 38 Prozent der vorhandenen Daten wurden entscheidende Anträge von Frauen eingereicht. Ein anderes Bild zeichnet sich aber in deutschen Stadtstaaten und Großstädten. Hier ist der Anteil der Frauen, die einen Immobilienverkauf initiieren, mit durchschnittlich 43 signifikant höher als in anderen Regionen Deutschlands. München zählt zu den 7 Großstädten in Deutschland, in denen der Frauenanteil als ausschlaggebender Faktor für den Hausverkauf besonders hoch ist.

In München wirkt sich dieses Phänomen besonders stark auf die Stadtfluchtquote aus, denn in unserer schönen Landeshauptstadt ist der Frauenanteil in der Bevölkerung besonders groß. Mit einem Frauenanteil von 51,23 Prozent nach Statista lag München zum Stand 31. Dezember 2021 auf Rang 4 der frauenreichsten Großstädte Deutschlands.

Stadtflucht hat gravierende Auswirkungen auf die Entwicklung der ländlichen Regionen

Der anhaltende Trend zur Stadtflucht wirkt sich auf den ersten Blick vor allem auf die Bevölkerungszahlen in den städtischen Ballungsräumen aus. Trotz weiterer Zuzüge sind die Bevölkerungszahlen in Städten wie München, Berlin, Hamburg, Frankfurt und Köln rückläufig. Der Grund liegt in der Zahl der Abwanderungen, die die Zuwachsrate seit einigen Jahren übersteigt. Für die urbanen Zentren ist das nicht unbedingt eine schlechte Entwicklung. Schon lange mangelt es dort an bezahlbarem Wohnraum. Bei gleichbleibender Entwicklung wird in den kommenden Jahren mit fehlenden Wohnungen im fünfstelligen Bereich gerechnet. Vor diesem Hintergrund mag der Trend zur Stadtflucht einen Entlastung versprechenden Effekt haben.

Ganz so positiv wirkt sich die Entwicklung auf die ländlichen Regionen um die großen Städte herum nicht aus. Sie haben Demografen zufolge mit Wachstumsschmerzen zu kämpfen, die schwerwiegende Folgen haben können. Auch der Speckgürtel rund um München ist davon betroffen. Seit 2016 ist ein anhaltender Zulauf in die Kreisstädte um die Landeshauptstadt zu verzeichnen. Das wirkt sich vor allem auf das Preisniveau auf dem Immobilienmarkt aus. Starnberg gehört zu den beliebtesten Regionen außerhalb von München. Das Preisniveau in der Kreisstadt hat dadurch inzwischen mit der Landeshauptstadt gleichgezogen. Ein starker Anstieg der Kaufpreise für Wohneigentum ist auch in Städten wie Ebersberg, Dachau, Erding und Fürstenfeldbruck zu bemerken. Da der Immobilienmarkt hier bislang noch mit sehr moderaten Preisen aufwarten konnte, bleibt das Gefälle zwischen den Kreisstädten und München trotzdem beträchtlich. Während in der Hauptstadt aktuell durchschnittlich 8.150 Euro pro Quadratmeter aufgerufen werden, kommen Zugezogene in Fürstenfeldbruck 4.790 Euro pro Quadratmeter ins Eigenheim. In Dachau sind es durchschnittlich 5.080 Euro, in Erding 5.350 Euro und in Ebersberg 5.210 Euro. Die Preisentwicklung bei Mietobjekten im weiteren Umland von München sieht ähnlich aus. Fast die Hälfte aller Mietwohnungen in beliebten Kreisstädten wie Dachau sind bereits für 15 Euro pro Quadratmeter zu haben. Das ist der Preis, der in München für rund 90 Prozent aller zur Miete angebotenen Wohnobjekte aufgerufen wird.

Neben der steigenden Preisspirale ist auch die Verknappung von Wohnraum in ländlichen Regionen eine Folge der Stadtflucht. Schon jetzt ist Bauland für den Traum von Eigenheim schwieriger und zu ungünstigeren Konditionen erhältlich als noch vor zehn Jahren. In den Kreisstädten im Speckgürtel der deutschen Großstädte rechnen Experten in absehbarer Zeit mit einem steigenden Wohnungsmangel. Perspektivisch ist davon auszugehen, dass die Stadtflucht die Probleme städtischer Ballungszentren in den weniger urbanen Raum verlagern wird.


Weiteres in der Rubrik Sonstiges und auf der Seite Sonstiges in und um München.